Impuls: Schutzmantelmadonna

Schutzmantelmadonna

Auf dem ersten Blick sehen wir einen mittelalterlichen Flügelaltar. Er wurde von Lucas Cranach gemalt und steht im Naumburger Dom. Betrachten wir das zentrale Marienbild genauer, so erkennen wir Dietrich Bonhoeffer links neben Maria. Der Mittelteil stammt aus unserer Zeit. In der Reformationszeit wurde er von Bilderstürmern zerstört; nur die Seitenteile blieben erhalten. Im Auftrag des Naumburger Domstifts vervollständigte Michael Triegel, ein prominenter Vertreter der Neuen Leipziger Schule, das Altarbild.

Betrachten wir zunächst Maria und ihr Kind. Maria ist eine junge Frau, die uns als selbstbewusste Mutter Jesus präsentiert, der tatsächlich wie ein Säugling wirkt. Der Künstler folgt nicht alten Darstellungen, die Jesus bereits als „Erwachsenen mit Segensgeste“ zeigen. Beide scheinen Schutz zu brauchen, denn die umstehenden Personen halten den Mantel um sie. Auch in dieser Personengruppe sehen wir Menschen wie du und ich. Das ist nicht verwunderlich, denn für alle Personen sind Menschen Modell gestanden. Auf eine Person will ich näher eingehen. Petrus trägt eine Baseballmütze. Ihn verrät nur der Schlüssel in der Hand. Ein Bettler, den Triegel vor einer Kirche in Rom traf, stand Modell. Mit dieser Wahl folgt er Papst Franziskus, der ganz bewusst Menschen am Rand der Gesellschaft in den Blick der Kirche nahm.

Das Motiv der Schutzmantelmadonna wird umgekehrt. Die Personen treten nicht unter den Mantel Mariens, sondern halten ihn beschützend um sie. So hat das Bild eine neue Botschaft: Nehmt Menschen in den Blick, die am Rand der Gesellschaft stehen, schutzbedürftig und von Gefahren bedroht sind. Ein altes Gebet aus dem 14. Jahrhundert bringt diese Rolle auf den Punkt: „Christus hat keine Hände, nur unsere Hände, um seine Arbeit heute zu tun. Er hat keine Füße, nur unsere Füße, um Menschen auf seinen Weg zu führen. Christus hat keine Lippen, nur unsere Lippen, um Menschen von ihm zu erzählen. Er hat keine Hilfe, nur unsere Hilfe, um Menschen an seine Seite zu bringen.“

Franz Forman

 

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