Mit Gottes Augen
Im September verbrachte ich mit meiner Frau ein paar Tage in Wasserburg am Bodensee. Beim Besuch der Kirche St. Georg kam eine Frau auf uns zu und im Laufe des Gesprächs unterhielten wir uns über Kunst in Kirchen, unter anderem, dass in manchen ein Bild mit dem Auge Gottes zu sehen ist. Diese Darstellung fand sie furchtbar, da es bei ihr als Erziehungsmittel angewendet wurde: Gott sieht alle schlechten Taten selbst im hintersten Kämmerchen, man fühlt sich beobachtet und bekommt große Angst vor einem strafenden Gott.
Wieder zu Hause las ich im Buch „Mit der Bibel durch das Jahr“ folgenden Text von Dagmar Zobel (ev. Prälatin i. R.), der im Gegensatz dazu den liebenden Blick Gottes sieht:
Mit welchen Augen schauen wir? Wir nehmen die Welt wahr, immer nur in Ausschnitten. Starren wir auf die Bilder von Krieg und Zerstörung, Gewalt und Elend, dann erscheint die Welt düster und hoffnungslos. Schauen wir in das strahlende Gesicht unserer Liebsten, sehen die Wunder der Natur, die Schönheit einer Landschaft, beobachten wir, wie fürsorglich Menschen miteinander umgehen, dann sieht die Welt anders aus. Je nachdem, wohin wir schauen, beeinflusst das unsere Wahrnehmung der Welt und auch, welchen Platz wir darin einnehmen. Können wir die Welt mit Gottes Augen sehen?
Gott sieht seine Welt und seine Menschen darin realistisch. Er sieht das Schreckliche, das Leid, das Böse und er sieht das Schöne, die Wunder, wo Menschen gut miteinander umgehen und Verantwortung übernehmen. Er sieht sie mit liebenden Augen an und kann sie über den Horizont hinaus größer denken und sehen, als sie momentan sind, wie ein Liebender eben.
Die Welt mit Gottes Augen sehen, das heißt eine Perspektive einnehmen, die ich von mir aus nicht habe. Ich muss mich orientieren, mich festmachen an dem, dessen Blick ich einnehmen soll.
(Mit freundlicher Genehmigung der Verfasserin)
Manfred Boretzki



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