Unsere Johannes-Orgel ist in die Jahre gekommen. Ausfallerscheinungen gibt’s schon seit Jahren, aber langsam werden sie unangenehm. Wir müssen zusehen, dass wir möglichst bald etwas tun, damit die Schäden nicht überhand nehmen und es zum Totalausfall kommt. Die Kosten dafür werden wohl um die 70.000€ betragen: das wird nicht aus der Portokasse zu bezahlen sein.
Wieso eigentlich Kirchenmusik?
Kirchenmusik ist bei Weitem keine neue Erfindung. Es ist eine uralte Erfahrung des Menschen, dass man sich mit Gott am Besten nur singend unterhält. Das Lob Gottes ist für die Gläubigen ein Bedürfnis, das sie laut und gemeinsam äußern möchten. Durcheinander sprechend geht das zwar nicht, aber singend ist es kein Problem. Singen – das wissen vor allem die Chorsänger – ist die persönlichste Art, Musik zu machen. Der Gesang ist das Instrument, das uns Menschen von Gott in die Wiege gelegt ist.
Wieso eigentlich eine Orgel?
Selbstgesungenes Gotteslob ist für die Menschen notwendig, aber es sollte auch geordnet beginnen und befriedigend fortgeführt werden. Deswegen haben die Menschen angefangen, mit Instrumenten zu experimentieren, die ihnen dabei halfen, auf einem festen Ton zu bleiben. In mindestens drei Psalmen (33, 92, 144) ist von der zehnsaitigen Harfe die Rede, in den Psalmen 47 und 98 kommen antike Posaunenchöre mit dem „Schall der Hörner“ vor, und auch von Zithern und Lauten ist die Rede. Auch davon, dass Psalter und Harfe aufwachen sollen, singen wir recht häufig.
Mehrere Instrumente gleichzeitig sind natürlich aufwändig: dazu braucht man mehrere Spieler und viel Abstimmung. Man suchte daher zunehmend nach einem Instrument, das a) laut genug war, um viele zu begleiten und b) was von einem einzigen Musikanten bedient werden konnte, damit die Organisation der Kirchenmusik auch an einfachen Werktagen zu schaffen war.
Diesen Anforderungen genügt die Orgel: der Organist kann sein Instrument in den zartesten Tönen flöten lassen – aber auch die Besucher der Kirche so anblasen, dass ihnen … nun ja, recht feierlich zu Mute wird.
Die Orgel: Nur Natur
Moderne Orgeln – zu denen unsere 1983 geweihte Johannes-Orgel gehört – bestehen aus natürlichen Werkstoffen, denn Plastik hält einfach nicht lange genug. Orgeln sind deswegen von alters her aus Holz, Metall und Leder gebaut. Aber nach über dreißig Jahren Temperatur-, Luftdruck- und Feuchtigkeitsschwankungen verzieht sich doch so Einiges. An unserer Orgel ist meines Wissens seit der Einweihung außer den turnusmäßigen Wartungsarbeiten (Stimmen der Zungenpfeifen) nichts mehr gemacht worden: das sind heute also 33 Jahre Dienst ohne Unterbrechungen. So was schafft kein elektronisches Teil, das über so komplexe Fähigkeiten verfügt wie eine Orgel. Eine digitale Orgel (in der Marienkapelle steht eine) geht oder sie geht nicht. Bei einer mechanischen Orgel geht Vieles oft unbemerkt nacheinander kaputt, völlig aufgeben tut sie allerdings wirklich selten.
Viel Restaurationsbedarf
Ein paar Jahre kann man sich deswegen noch mit „Nachstellen“ und „Geraderücken“ helfen, aber mittlerweile wird’s kritisch:
- Das Leder der Blasebälge, die den konstanten Luftdruck für die Pfeifen gewährleisten sollen, ist hart geworden und an vielen Stellen aufgeplatzt und undicht.
Einige der mechanisch betätigten Holzschieber („Schleifen“) haben sich verzogen, so dass die „Luftlöcher“ nicht mehr genau unter den Pfeifen liegen. Das vermindert den Luftdruck, und die Pfeifen fangen an zu jaulen. Besonders in den Registern „Holzflöte“ und „Gambe“ ist das deutlich zu hören – und das sind eigentlich die schönsten Begleitregister, die wir allerdings im Gottesdienst fast nicht mehr nutzen können. Sie können gerne nach dem Gottesdienst mal an der Orgel vorbeikommen, dann demonstrieren wir Ihnen das. - Die „Drähte“, die von den Tasten zu den Pfeifenventilen führen, sind ausgeleiert und hängen durch. Dadurch sprechen die Pfeifen zu unterschiedlichen Zeitpunkten an: gleichzeitig erklingende Akkorde oder genaue Koloraturen sind damit kaum erzielbar.
Die großen Pfeifen im Orgelprospekt (also die Pfeifen, die man von der Orgel sieht) haben sich am Fuß durch ihr Eigengewicht verzogen, das führt zu Ausbauchungen und Tonunreinheit. - Die Pfeifen fangen an, ihr Eigenleben zu führen: jede klingt höchst individuell. Die einen laut, andere leiser, viele produzieren Nebengeräusche. Dadurch klingt die Orgel oft scheppernd, unrein und lauter, als sie eigentlich ist.
- Einige Pfeifen stehen nicht mehr genau auf ihren „Löchern“, weil sich die Haltebretter („Raster“) verzogen haben. Rechts ein kleines Beispiel für eine Pfeife, die nur noch klingt, wenn man sie extra „anschubst“.
- Bei den beiden Manualen wurde zur Bauzeit zu weiches Holz verwendet. Nach 33 Jahren haben die Tasten tiefe Griffmulden und müssen ausgetauscht werden.
- Die Tasten der Manuale wackeln horizontal hin und her: die Führungen sind ausgeleiert.
- Insgesamt muss das ganze Werk „intoniert“ werden. Das bedeutet, dass alle Pfeifen eines Registers – bis auf die Tonhöhe – ziemlich gleich klingen sollten. Im Moment ist es so, dass die Pfeifen eines Registers mal laut, mal leise, mal hauchig, mal forsch klingen; mal schnarren sie, mal hören sie sich knarzig an; mal springen sie sofort an, mal brauchen sie eine halbe Sekunde, bis man was hört. Dazu muss jede einzelne der 1760 Pfeifen auf den 26 Registern einzeln und nacheinander angefaßt und ausgerichtet werden: das dauert ein paar Wochen und ist der teuerste Einzelposten der geamten Renovierung.
- Und dann gibt es auch eine gute Nachricht: An der Johannes-Orgel sind bisher (außer den Organisten) keine Schädlinge gesichtet worden. Einen Kammerjäger und aufwändige Sanierungsmaßnahmen am Orgelgerüst brauchen wir nicht. Außer einer Katze, die sich mal verstiegen hatte, war da nie ein Tier drin – und das sollte auch so bleiben.
Thomas Reuter, 2016
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