There is a crack in everything. That’s how the light gets in.
Wieder ist ein Jahr vergangen und es ist an der Zeit, Weihnachten zu feiern. Und doch ist in diesem Jahr alles ganz anders. Vieles, was über Jahrzehnte als sicher galt, ist zerbrochen: die Friedensordnung in Europa, der Zusammenhalt in der Gesellschaft, die Gewissheit, dass man irgendwie seine Rechnungen und Einkäufe bezahlen kann und selbst „schönes Wetter“ wird mehr und mehr zum Anzeichen für eine Klimaänderung. Auch die früheren Glaubensüberzeugungen schmelzen dahin wie Eisberge in der Sonne. Weihnachten ist wie eine Insel, wie eine letzte Eisscholle im Klimawandel, bei der nochmal viele zusammenkommen und auf Antworten hoffen auf Fragen nach dem großen Geheimnis, das wir Gott nennen.
Brüche, Verwerfungen, Risse, alles zerfällt. Aber vielleicht doch eine Chance.
Der jüdische Poet und Sänger Leonard Cohen hat eine Liedzeile darüber geschrieben: „There is a crack in everything. That‘s how the light gets in.“ Es gibt einen Riss in allem. So kommt das Licht herein.
Ein zutiefst weihnachtlicher Vers. Wenn es am dunkelsten ist, wenn Gewissheiten zerbrechen, wenn es Verwerfungen gibt und manches einem Erdbeben gleicht, tut sich etwas auf, was bisher verborgen war, was wir nicht wahrnehmen konnten, was hinter den Dingen liegt.
Das feiern wir heute: Einen Neuanfang, ein Licht, das den Hirten erscheint, das durch den Riss im Himmel bei ihnen ankommt, wie wir es an Weihnachten im Lukasevangelium hören.
Immer wieder gab es Im Laufe der Geschichte ein Sehnen nach diesem Riss. Vor 400 Jahren, in der Zeit des 30jährigen Krieges und der Hexenverfolgung hat Friedrich Spee es ähnlich gesagt wie Leonard Cohen heute: Das alte Adventslied „O Heiland reiss die Himmel auf“ formuliert, dass die Geburt in Bethlehem sich immer neu in uns wiederholen muss: „Reiss ab, wo Schloss und Riegel für.“ Befreie uns immer wieder von allem Festgefahrenen und Eingeschlossenen.
Gott selbst hat mit der Geburt Christi die Himmel unsere Vorstellungen zerbrochen. Die Bilder, die wir von ihm haben, an denen wir so gerne festhalten gelten nicht mehr. Ein Riss geht durch den Himmel und das Licht dringt bis zu uns. Die Begegnung mit diesem lebendigen Gott ist möglich in dem Kind in der Krippe, in uns selbst und in allen anderen Menschen.
Es gibt einen Riss in allen Dingen. So kommt das Licht herein.
Das wünsche ich Ihnen: Ein Licht wahrzunehmen, das zwischen allen Brüchen hervorscheint, ein Licht, das aus der größeren Wirklichkeit zu uns kommt und die Welt und uns bis ins Innere erhellen will. Uns, unsere Lieben und alle Menschen, mit denen wir zusammenkommen.
Urban Führes
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