Gottes liebender Blick
„Der liebe Gott sieht alles!“ So mancher hat diesen Satz in seiner Kindheit zu hören bekommen – mit mahnendem Unterton und einem schlechten Gewissen. Unterschwellig wurde uns damit vermittelt, dass Gott wie ein Aufpasser all‘ unser Tun überwacht und dass ihm auch nicht die kleinste Verfehlung entgeht. „Sieh dich vor!“, war die unmissverständliche Botschaft.
Auch in der Bibel ist des öfteren vom Sehen Gottes die Rede. „An jedem Ort sind die Augen des Herrn, sie wachen über Gute und Böse“, so heißt es im Buch der Sprichwörter (Spr 15,3). Anders aber, als wir vielleicht meinen, ist Gottes Blick auf die Menschen dabei von Liebe und Fürsorge geprägt. „Du hast mich erforscht und du kennst mich… Deine Augen sahen, wie ich entstand“, bekennt ein Beter in der guten Gewissheit, ganz von Gott getragen zu sein (Ps 139,1.16). Und wenn Gott zu Mose spricht: „Ich habe das Elend meines Volkes gesehen“, dann drückt er damit zugleich aus, dass die Not der Menschen ihm nicht gleichgültig ist (Ex 3,7).
Gott sieht uns! Diese Zusage entspricht einem tiefen menschlichen Bedürfnis – dem Bedürfnis nämlich, wahrgenommen und gewürdigt zu werden als diejenigen, die wir sind. Genau das fordern Kinder deshalb immer wieder von ihren Eltern ein: Mama, sieh doch mal – Papa, schau mal her! Und es tut dem Kind gut zu wissen, dass die Mutter, dass der Vater es sieht. Genauso dürfen auch wir uns der liebenden Aufmerksamkeit, des wissenden und sorgenden Blickes Gottes auf uns gewiss sein.
Helga Melzer-Keller
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