Der fordernde Weg Jesu
Angesichts der spürbaren Zunahme von Gewalt scheinbar allerorten stellt sich die Frage, wie diejenigen, die darunter leiden, damit umgehen sollen: Erdulden? Gegengewalt anwenden? Die Theologin Dorothee Sölle umreißt in ihrem Gedicht „Der dritte Weg“ (hier in Auszügen) den Weg, den Jesus ins Spiel bringt:
Wir sehen immer nur zwei wege
sich ducken oder zurückschlagen […]
getreten werden oder treten
Jesus du bist einen anderen weg gegangen
du hast gekämpft aber nicht mit waffen […]
Wir sehen immer nur zwei möglichkeiten […]
geschlagen werden oder schlagen
Du hast eine andere möglichkeit versucht […]
Lasst uns die neuen Wege suchen […]
und lasst uns die überraschung benutzen
und die scham die in den menschen versteckt ist.
Was mit diesem dritten Weg gemeint ist, zeigt uns Jesus in der Bergpredigt: Er fordert dazu auf, dem Schläger auch die andere Wange hinzuhalten, wenn dieser einen auf die rechte Wange geschlagen hat. Der erste Schlag ist – einen Rechtshänder vorausgesetzt – ein verächtlicher, demütigender Schlag mit dem Handrücken. Beim Hinhalten der anderen Wange muss der Peiniger einen „normalen“ Schlag mit der Innenseite ausführen, wenn er weitermachen will.
Der Weg Jesu ist also der Weg der Überraschung, der den Gewalttätigen zum Nach- und Umdenken bringen soll. Es ist ein mutiger und risikoreicher Weg: Lenkt der Peiniger wirklich ein oder macht er einfach unbeeindruckt weiter? Sicher ist dieser Weg nicht in allen Situationen gangbar und sicher ist er auch nicht immer erfolgreich, aber es gibt ihn und Jesus möchte, dass wir ihn in Erwägung ziehen.
Tobias Herber
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