Wie ein Vater, wie eine Mutter
Dass wir Gott unseren Vater nennen dürfen, ist ein uns wohl bekannter Gedanke. Immer wieder vergleicht Jesus in den Schriften des Neuen Testaments Gott mit einem Vater: treu sorgend und vergebungsbereit. In seinen Gebeten sprach Jesus Gott sogar direkt als seinen Vater an – mit dem aramäischen Wort „Abba“, das in der Alltagssprache von (Klein-)Kindern verwendet wurde und dementsprechend eine große Nähe und Vertrautheit beinhaltet, vergleichbar mit unserem heutigen Wort „Papa“. In dieser Tradition dürfen auch wir Gott als Vater anreden, nicht zuletzt im Gebet des „Vater unser“.
Dieses schöne, aber doch männliche Gottesbild haben Frauen schon vor einigen Jahren um sein weibliches Pendant ergänzt. Sie haben darauf hingewiesen, dass es in der Bibel auch viele Textstellen gibt, an denen Gott mit einer Mutter verglichen wird: Einer Mutter, die ihr Kind stillt und es groß zieht (Hos 11,3-4); einer Bärenmutter, die ihr Kind beschützt und verteidigt (Hos 13,8); einer Mutter, die ihr Kind wiegt und tröstet (Jes 66,11-13). Ganz ähnlich vergleicht Jesus seine Sorge um die Einwohner Jerusalems mit dem Verhalten einer Glucke (Mt 23,37).
Doch egal, ob wir es vorziehen, uns Gott als Vater oder als Mutter vorzustellen – beide Bilder laufen letztlich auf dasselbe hinaus: Dass Gott uns in bedingungsloser Liebe zugetan ist, dass er ohne Abstriche da ist für uns und uns niemals fallen lässt. Nun sind menschliche Eltern natürlich nicht perfekt, sie haben ihre Grenzen, an die sie durchaus von ihrem Nachwuchs gebracht werden können. Gott dagegen, so verheißt es die Bibel, ist in seiner Zuwendung tatsächlich grenzenlos. So lässt der Prophet Jesaja Gott sprechen: „Kann denn eine Frau ihr Kindlein vergessen, eine Mutter ihren leiblichen Sohn? Und selbst wenn sie ihn vergessen würde: ich vergesse dich nicht.“ (Jes 49,15)
Helga Melzer-Keller
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