Kind Gottes werden – Glaube als Prozess
Die Texte der Lesung und des Evangeliums beleuchten das Thema des jeweiligen Sonntags aus verschiedenen Perspektiven, doch selten gibt es wortgleiche Passagen in beiden Schriften. So jedoch am 3. Januar diesen Jahres. Sowohl im Johannesevangelium, als auch im Brief an die Gemeinde in Ephesus heißt es sinngemäß, dass wir „Kinder Gottes werden können“. Johannes und Paulus verwenden hier die Zukunftsform und schreiben nicht in der Gegenwart. Wir können das als Hinweis deuten, dass Christsein ein Prozess ist, eine Entwicklung, kein einmaliger Akt, gleichsam durch Taufe und Firmung festgeschrieben und damit für immer unverändert.
Und diese Entwicklung meint sicher nicht nur das Ablegen des Kinderglaubens im Rahmen des Erwachsenwerdens, vielmehr eine ständige Neuausrichtung. Der lebenslange Glaubensweg führt nach innen, in die wirkliche Mündigkeit vor Gott, in die glaubende Begegnung mit jenem Gott, der uns in der Gestalt Jesu entgegenkommt. Und der Weg führt in die Wirklichkeit der Welt: Kampf und Kontemplation, der Zusammenklang von vita activa und vita contemplativa. Für diese Wanderung gibt es nur die eigenen Wegweiser, dass wusste auch die Mystikerin Madeleine Delbrêl: „Brecht auf ohne Landkarte – und wisst, dass Gott unterwegs zu finden ist“. Der Jesuit de Certeau kennt die notwendige Geduld für diesen Weg: „Mystiker ist einer, der nicht aufhören kann zu wandern und der in der Gewissheit dessen, was ihm fehlt, von jedem Ort und von jedem Objekt weiß: Das ist es nicht.“ Noch nicht.
Urban Führes
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